Ermächtigung zur Selbstermächtigung

Ein Plädoyer für die „beharrliche experimentelle Humanisierung“ und für andere Formen des Lebens und Arbeitens

Wir sind Zeugen und Akteure dramatischer Veränderungen der Arbeitswelt. Jede Menge Studien gehen inzwischen von einem baldigen ersatzlosen Wegfall von mehr als 50% der klassischen Erwerbsarbeitsplätze aus. „Jobless recovery“ (Jeremy Rifkin) ist dafür der Fachbegriff; die zwangsläufige emotionale Folge für die dadurch „freigesetzten“ Menschen beschreibt Richard Sennett als „das Gespenst der Nutzlosigkeit“.

Vor diesem Hintergrund und für den Menschen als Wesen, das nützlich sein will, gibt Adrienne Goehler einen entscheidenden Kulturimpuls. Sie erklärt uns das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) als gesellschaftlichen und psychologischen Gegenentwurf zu Sozialtransfersystemen, die  alle an »Bedarfe« geknüpft sind – und damit als einen Gegenentwurf zu Scham, Stigmatisierung und Angst. Ohne Existenzangst könne es um die erweckbare Idee gehen, mit dem eigenen Vermögen, dem eigenen Können und Wünschen etwas anzufangen und zu gestalten.

Goehler erklärt und argumentiert mehrdimensional. Ökonomisch betrachtet, werde die Gewissheit eines lebenslangen Grundauskommens die und den Einzelnen darin stärken, ihr Leben nicht mehr völlig der Verwertungslogik und dem puren Ökonomismus zu unterwerfen, sondern sich zu fragen, was sie eigentlich wollen. Auf den Lebensraum bezogen, könnte das BGE der Entwicklung zwischen Boomtowns und verödenden Landstrichen etwas entgegensetzen, wenn Leute ihr Grundauskommen genau dorthin mitbringen könnten, wo sie leben wollen. Schließlich, bezogen auf die Dimension Geschlecht, wäre es das allererste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass Frauen und Männer dieselbe ökonomische Voraussetzung für ihre Existenzsicherung hätten.

Indem die Gemeinschaft jeder und jedem Einzelnen die Existenz sichert, gibt sie allen das Startkapital, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das BGE ist also die Basis für individuelles Empowerment und ein homöopathisch wirksames Gegengift zur Entwertung.

So eloquent und leidenschaftlich plädiert Adrienne Goehler für das BGE.

Dieser Text ist die Essenz des Abendvortrags, den Adrienne Goehler auf der Mitgliederversammlung der DGSv 2016 hielt.

Abstract (PDF)


Ausführlicher Vortragstext

Adrienne Goehler
Ermächtigung zur Selbstermächtigung (PDF – JS 4/2016)
– Ein eindringliches Plädoyer für die „beharrliche experimentelle Humanisierung“. Für andere Formen des Lebens und Arbeitens.

Adrienne Goehler ist Diplompsychologin, ehemalige Präsidentin der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, war Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Berlin und Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds. Sie lebt und arbeitet heute als Publizistin und Kuratorin in Berlin.

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