Wenn wir von Beratung sprechen, meinen wir stets arbeitsweltbezogene Beratung. Die wesentlichen Formate arbeitsweltbezogener Beratung im Sinne der DGSv sind Supervision, Coaching und Organisationsberatung. Kernkonzept der DGSv und ihrer Mitglieder ist Supervision. Mit diesem Kernkonzept ist eine spezifische supervisorische Haltung verbunden.
Grafik: Cskw, Berlin
Das Fundament: Die supervisorische Haltung und ein gemeinsames Beratungsverständnis
Unsere Mitglieder haben einen hohen professionellen Anspruch. Sie fühlen sich den Prinzipien der Aufklärung verpflichtet, dem selbstständigen, kritischen Denken und Handeln auf Grundlage von Vernunft und Wissenschaft. Sie wollen nützliche, gewinnbringende, funktionale Reflexionsprozesse von Menschen und Organisationen unterstützen. Zugleich übernehmen sie eine gesellschaftliche Aufgabe, indem sie Demokratisierung, Diskursfreundlichkeit, Reflexivität, Emanzipation und Transparenz fördern sowie für klare Rollen und Verantwortlichkeiten in der Arbeitswelt sorgen. Ihre Beratung ist geprägt von einer sorgfältigen Auftragsklärung, Diagnostik und Prozessgestaltung hinsichtlich der Dimensionen Person, Rolle und Organisation.
Das gemeinsame Beratungsverständnis zeigt sich in folgenden Positionen:
Beratung beginnt vor der Beratung Denn die fachliche Basis von qualitativ hochwertiger Beratung bildet eine „umfassende kontextualisierte Auftragsklärung“ (Beratung vor der Beratung). Hier klärt sich, welche Formate arbeitsweltlicher Beratung in einer ganz spezifischen Situation wie und mit welchem Ziel zum Einsatz kommen. Die Auftragsklärung mündet dann in einer entsprechenden Kontraktierung (z. B. Dreieckskontrakt) als wesentliches Element der Prozesssteuerung. Auftragsklärung und Kontrakt bilden also die Basis für eine tragfähige Arbeitsbeziehung. Je nach Ausgangslage kann die Kontraktierung ganz unterschiedlich komplex sein – von ganz einfachen hin zu sehr komplexen Beratungsdesigns. Auf jeden Fall gilt: keine Beratung ohne Auftragsklärung.
Beratung ist Arbeit in Spannungsfeldern Beratung verstehen wir als Arbeiten im Spannungsfeld von Person, Rolle, Organisation und Anspruchsgruppen (Kund*innen, Klient*innen, Mitarbeitende etc). Dazu gehört immer auch eine arbeits- und lebensweltliche sowie gesellschaftliche Kontextualisierung.
Beratung bietet Freiräume Beratung bietet für Personen in Organisationen Räume gedanklicher und emotionaler Freiheit. Sie können darin neue Handlungs und Entscheidungsmöglichkeiten entwickeln, weil sie den Raum bekommen, in Ruhe zu reflektieren, kreativ zu werden und sich auf Wesentliches zu konzentrieren.
Beratung initiiert Aushandlungsprozesse Beratung initiiert Aushandlungsprozesse für und zwischen Person, Rolle, Organisation und weiteren Kontexten (z. B. gesellschaftlichen). Die Aushandlung bezieht sich auf Aufgaben, Ziele, Interessen, Kommunikation, Überzeugungen, Werthaltungen und Zugehörigkeiten sowie innere und äußere Hierarchien. Das komplexe Interaktionsgeschehen, das sich zwischen den verschiedenen Rollenträger*innen entwickelt, ist Grundlage des prozessorientierten Kontraktverständnisses. Hierbei wird auch das latente Geschehen der Organisationen und deren Akteur*innen in den Blick genommen und beachtet, es wird besprechbar und damit bearbeitbar.
Beratung ist ethisch fundiert Supervision wurzelt in Sozialarbeit, Psychoanalyse und Pädagogik. Sie war und ist ein relevanter Beitrag zur neu entstandenen demokratischen Praxis Deutschlands nach dem Faschismus und Holocaust. Das ist von großer Bedeutung und prägt das Selbstverständnis der DGSv-Supervisor*innen. So gesehen ist die ethische Fundierung von Supervision, Coaching und Organisationsberatung nicht neutral, sondern sie bezieht sich auf eine demokratiepolitische Relevanz. Die professionelle Position von Berater*innen, sich im Sinne des Dreieckskontrakts „zwischen den Stühlen“ zu halten, dient dazu, die Diskursfähigkeit im Kommunikationsprozess zu ermöglichen und aufrechtzuerhalten. Handlungsprobleme benötigen eine ethische Fundierung, die sich in der Fähigkeit zeigt, Spannung halten und Konflikte direkt austragen zu können.
Handlungsprobleme als gemeinsamer Ausgangspunkt von Supervision, Coaching und Organisationsberatung
Supervision, Coaching und Organisationsberatung sind Formate, durch deren Beauftragung Handlungsprobleme in Organisationen bearbeitet werden sollen. Diese Handlungsprobleme ergeben sich häufig aufgrund von offenen Fragen, Konflikten, Entscheidungssituationen, dauerhaften oder zeitweiligen Ambiguitäten in Bezug auf typische Spannungsfelder im Kontext von Arbeit und der Organisation von Arbeit.
Typische Spannungsfelder sind z.B.:
Humanziel
<---->
Leistungsziel
Selbstverwirklichung
<---->
Zielgruppenorientierung
Individuum/Person
<---->
Kollektiv/Team/Organisation
Innovation/Wandel
<---->
Bewahrung/Stabilität
Entwicklung – etwas verbessern
<---->
Veränderung – etwas grundsätzlich anders machen
Veränderung als Dauerzustand
<---->
Veränderung als Ausnahme
Kooperation
<---->
Konkurrenz
Vertrauen
<---->
Misstrauen
Selbstorganisation
<---->
Fremdsteuerung
Top down
<---->
Bottom up
Reflexion/Zweifel
<---->
Entscheidung/Handlung
Rationalität
<---->
Irrationalität, Unbewusstes
Nähe
<---->
Distanz
Zentral
<---->
Dezentral
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Organisation als gemeinsamer Handlungsrahmen für Supervision, Coaching und Organisationsberatung
Arbeitsweltbezogene Beratung in Form von Supervision, Coaching und Organisationsberatung findet in Organisationen statt. Wir sprechen von Organisation, wenn mehrere Rollenträger*innen in einem arbeitsteiligen Prozess mit Kontinuität an einer gemeinsamen Aufgabe infolge eines gemeinsamen Zieles arbeiten. Die auf Einzelrollen und -funktionen verteilten Arbeitshandlungen sind dabei aufeinander abzustimmen (Ablauf- und Aufbauorganisation) und auf das gemeinsame Ziel hin auszurichten.
Organisationen der Arbeitswelt haben eine oder mehrere Primäraufgaben, aus denen sich ihre Existenzberechtigung ableitet. Die Primäraufgaben erfüllt eine solche Organisation durch das Erbringen von Dienstleistungen oder die Herstellung von Produkten. Dazu strukturiert sich eine Organisation entlang von Kernprozessen. Für die Funktionsfähigkeit bildet eine Organisation darüber hinaus Führungs- und Supportprozesse aus.
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Eine Organisation verfügt dabei stets über Formalstrukturen, informelle Strukturen und eine Organisationskultur. Die Formalstrukturen sind die bewusst entschiedenen und formal festgelegten Regelungen des Aufbaus und der Arbeitsabläufe der Organisation (Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten, Entscheidungskompetenzen, Führungs-, Kern- und Supportprozesse, usw.). Die informellen Strukturen sind die bewusst oder unbewusst entstandenen, nicht formalisierten Kommunikations- und Handlungsmuster sowie Beziehungsdynamiken. Die Organisationskultur umfasst neben den sichtbaren Verhaltensweisen, Artefakten und Erzeugnissen (u.a. Kommunikationsverhalten, Corporate Design, Unternehmensleitbild, Rituale und Mythen) kollektive Werte (das Gefühl, wie die Dinge sein sollen) und Grundannahmen (Dinge, die als selbstverständlich angenommen, nicht hinterfragt oder diskutiert und nicht bewusst wahrgenommen werden).
Das Kernkonzept: Supervision – komplexe Arbeitsbeziehungen gestalten
Supervision ist Beratung für Rollen- bzw. Funktionsträger*innen und Organisationen, deren eigene primäre Aufgabe die Arbeit mit und am Menschen ist und die deshalb immer wieder ihre professionelle Position in der Spannung zwischen Nähe und Distanz zu ihren Klient*innen neu finden müssen. Dies ist eine höchst anspruchsvolle Beziehungsarbeit, für die Supervision unerlässlich ist. Supervision ermöglicht eine kontinuierliche Berufsrollenreflexion. Supervision richtet sich an Einzelpersonen, Gruppen oder Teams. Sie ist eingebunden in das Organisationsgefüge und leistet einen Beitrag zur Organisationsentwicklung.
Wesentlich für Supervision ist der Prozesscharakter. Es geht darum, Spannungen nicht ergebnisorientiert zu kanalisieren, im Zentrum steht vielmehr das Verstehen der Dynamiken. Die reflexive Betrachtung und das prägnante Herausarbeiten der Spannungsfelder in den beruflichen Feldern und die damit einhergehende ausgeprägte Kontextperspektive und Multiperspektivität sind essenziell. Sie ermöglichen es, komplexe Dynamiken einem vertieften und differenzierten Verstehen zugänglich zu machen. Sie machen außerdem möglich, reflektierte Perspektiven des Erlebens und Handelns und einen konstruktiven Umgang mit komplexen Beziehungs-, Interaktions- und Kommunikationssituationen zu finden.
Die eine Erweiterung: Coaching – professionelle Herausforderungen meistern
Coaching richtet sich an Rollen- und Funktionsträger*innen, oft Führungskräfte, in Organisationen, deren Ziel es ist, ihr Handlungsrepertoire zu erweitern. Es ist meist anlassbezogen, lösungsorientiert und zeitlich begrenzt. Und zwar mit Blick auf eine ganz bestimmte professionelle Fragestellung oder Herausforderung. Coaching unterstützt bei der Selbstreflexion und bei der Erprobung neuer Verhaltensweisen. Es richtet sich an Einzelpersonen oder Teams.
Das Coaching ist abgeleitet von der ungarischen Stadt „Kocs“, in der „Kutschen“ hergestellt wurden. Ende des 19. Jahrhunderts war es eine Form der Beratung und Unterstützung amerikanischer Student*innen bei ihren Examensvorbereitungen. Ab den 1920er Jahren setzte sich der Begriff im Sport durch. Hier kam es nicht nur auf das körperliche Training an, sondern auch auf das mentale Training, auf Motivation und das Schaffen einer leistungsfördernden Umgebung. Ab den 1940er Jahren in Amerika, ab den 1970er Jahren auch in Deutschland, wurde dieses Konzept dann für die Beratung und Entwicklung von Führungskräften transformiert. Im Mittelpunkt steht eine Ziel- und Erfolgsorientierung, was mit einer gewissen Prozessstringenz einhergeht.
Es geht darum, individuelle oder kollektive berufliche Handlungskompetenz zu entwickeln und fachliche, personale und interaktionelle Potenziale rollenbezogen zu entfalten – immer vor dem Hintergrund spezifischer beruflicher Herausforderungen. Es geht – historisch betrachtet – im Coaching um die Arbeitsleistung oder die berufliche Lebensgestaltung. Coaching spannt berufliche Lern- und Entwicklungsprozesse zwischen einer Ausgangssituation und einer erwünschten Zielsituation auf und gestaltet sie dann.
Die andere Erweiterung: Organisationsberatung – große Veränderungen begleiten
Organisationsberatung nimmt die Organisation oder Organisationseinheiten als Ganzes in den Blick. Vorrangiges Ziel ist, die Funktions- und Leistungsfähigkeit einer Organisation bzw. Organisationseinheit zu erhalten oder zu steigern. Dies im Interesse des Organisationszwecks (Primäraufgabe), der Eigentümer*innen sowie der Mitarbeiter*innen und Kund*innen, Klient*innen (Shareholder und Stakeholder). Organisationsberatung ist die professionelle Beratung und Begleitung von Veränderungsprozessen. Organisationsberatung bedient sich verschiedenster Formate, mit denen in die Organisation hinein Wirkung entfaltet wird. Die Beteiligung der Mitarbeiter*innen ist in unserem Verständnis essentiell. Auch Supervision und Coaching können in Organisationsberatungs-Prozesse integriert werden.
Ähnlich wie in der Organisationsentwicklung geht es in der Organisationsberatung um die Entwicklung und Umsetzung einer Strategie für einen geplanten und systematischen Wandel, der durch die Beeinflussung der Organisationsstruktur, Organisationskultur und individuellen Verhaltens zustande kommt, und zwar unter größtmöglicher Beteiligung der betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter*innen. Zielsetzung ist es, sowohl der Leistungsfähigkeit der Organisation (Leistungsziel) wie auch der Entfaltung der einzelnen Organisationsmitglieder (Humanziel) zu dienen. Die gewählte ganzheitliche Perspektive berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen Individuen, Gruppen, Organisationseinheiten, der Organisation als Ganzes, sowie von Technologie, Umwelt, gesellschaftlichen und normativen Rahmenbedingungen, der Zeit sowie von Kommunikationsmustern, Beziehungsdynamiken, Wertestrukturen, Machtkonstellationen etc., die in der jeweiligen Organisation real existieren.
Organisationsentwicklung kann ohne (externe) Beratung stattfinden. Organisationsberatung im Verständnis der DGSv kann daher auch definiert werden als Beratung für oder Begleitung von Organisationsentwicklung. Organisationsberatung im Verständnis der DGSv wird - wie in Supervision und Coaching – prozessorientiert und selbstreflexiv gestaltet und zwar unter jeweils angemessener Beteiligung der betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter*innen. Einerseits ist Organisationsberatung in diesem prozessorientierten, selbstreflexiven und partizipativen Vorgehen eine Disziplin der betriebswirtschaftlichen Unternehmensberatung Andererseits unterscheidet sie sich durch ihr Vorgehen von einem Verständnis von Unternehmensberatung im Sinne einer reinen Fach- oder Expertenberatung, die auf der Basis von Zielen für die Gestaltung oder Veränderung einer Organisation Empfehlungen formuliert und dazu fachliches, Wissen zur Verfügung stellt z.B. aus den Bereichen Rechnungswesen, IT, Personalmanagement, Recht oder Organisation.
In komplexeren Beratungsarchitekturen wird Organisationsberatung von mehreren spezialisierten (externen) Auftragnehmer*innen mit den verschiedensten Rollenträger*innen und Untergliederungen einer Organisation durchgeführt. Im Falle einer Kombination von Organisationsberatung im Sinne von Prozessbegleitung mit Unternehmensberatung im Sinne von Fachberatung sprechen wir von Komplementärberatung.
Organisationsberatung nach dem Verständnis der DGSv nimmt formale und informelle Strukturen und die Organisationskultur gleichermaßen in den Blick. Eine Organisationsberatung, die sich nur auf Beziehungsdynamiken konzentriert oder diese a priori vorrangig in den Fokus nimmt entspricht ebenso wenig unserem Verständnis wie eine Organisationsberatung, die sich nur auf die Formalstruktur bezieht. Organisationsberatung beinhaltet also ein Interventionsrepertoire, das auf allen Ebenen Wirksamkeit entfalten kann. Supervision und Coaching sind Bestandteil dieses Repertoires, hinzu können viele andere Interventionen kommen (Trainings, Workshops, Dokumentenanalysen, Organisationsbeobachtungen, Großgruppenveranstaltungen, Informationskampagnen uvm.)
Wichtiges Merkmal von Organisationsberatung ist die sinnvolle Verzahnung verschiedener Interventionen. Die Verzahnung betrifft sowohl die Abgestimmtheit in den Zielsetzungen der verschiedenen Interventionen (z.B. Diagnose, Soll-Entwürfe, Lernen, Informationsvermittlung, Begleitung von emotionalen Prozessen) als auch die Abgestimmtheit hinsichtlich der beteiligten Personen, Gruppen, Teams, Organisationseinheiten: Wer kommuniziert wann mit wem worüber? Hierzu bedarf es eines geeigneten Projektmanagements und einer geeigneten Projektarchitektur.
Der Umfang und die Zuständigkeit von Organisationsberatung kann sehr verschieden ausfallen. Manchmal beschränkt sich die Begleitung in Form von Supervision oder Coaching für Führungskräfte oder Projektleiter*innen auf die Unterstützung bei der Koordination und Steuerung all dieser Prozesse – oder anders gesagt: sie hilft, den Überblick zu bewahren. In diesen konkreten Fällen sind Supervision oder Coaching das Element der Organisationsberatung innerhalb eines Organisationsentwicklungsprozesses.
In komplexeren Beratungsarchitekturen wird Organisationsberatung von mehreren spezialisierten (externen) Auftragnehmer*innen mit den verschiedensten Rollenträger*innen und Untergliederungen einer Organisation durchgeführt. Im Falle einer Kombination von Organisationsberatung (Prozessbegleitung) mit Unternehmensberatung (Fachberatung) sprechen wir von Komplementärberatung.
In der Organisationsberatung werden die oben genannten Spannungsfelder in erster Linie aus der Perspektive der Organisation in den Blick genommen, weniger aus der Perspektive eines Individuums, eines Teams oder einer Gruppe. Wie stellen sich diese Spannungsfelder für die Organisation als Ganzes oder einzelne Organisationseinheiten dar? In der Organisationsberatung geht es um Handlungsprobleme der Organisation, die – da eine Organisation selbst kein denkender und handelnder Akteur ist - von Positionsinhaber*innen, d.h. Rollen- und Funktionsträger*innen repräsentiert werden. Organisationsberatung richtet sich deshalb oft an Rollen- bzw. Funktionsträger*innen einer Organisation, welche die Organisation mit Blick auf den Gegenstand der Beratung idealerweise möglichst repräsentativ abbilden, wobei es sich dabei keineswegs nur, aber immer auch um Inhaber*innen von Führungsfunktionen handelt. Organisationsberatung kann darüber hinaus auch Settings beinhalten, die sich an alle Mitglieder einer Organisation richten. Supervision und Coaching blicken eher durch die Person(en) auf die Organisation, Organisationsberatung blickt eher durch die Organisation auf die Person(en).
Oft ist die Veränderung oder Bearbeitung der formalen Struktur der Organisation nicht Gegenstand des Auftrags von Supervision und Coaching. Supervision und auch Coaching, insbesondere Einzelsupervision und -coaching sind deshalb häufig stärker auf die Arbeit an der informellen Struktur und der Organisationskultur ausgerichtet. Die Formalstruktur ist für Supervision und Coaching tendenziell eher gegebene Rahmenbedingung. Aus Supervision und Coaching können sich Anforderungen an Veränderungen der Formalstruktur ergeben. Wenn dies geschieht, ist nicht selten eine Neuformulierung des Auftrags erforderlich.
Bei der Organisationsberatung ist die (potenzielle) Veränderung der formalen Struktur von vornherein Bestandteil des Auftrags. Auch wenn es um Organisationsberatung mit dem Ziel der Veränderung der informellen Struktur oder Organisationskultur geht, ist eine solche in den meisten Fällen nur über Veränderungen an der Formalstruktur zu erreichen. Durch neue formale Regelungen entstehen neue informelle Strukturen, finden bestimmte Werte ihren Ausdruck, werden neue Rituale geschaffen und unbewusste Annahmen auf die Probe gestellt.
Supervision und Coaching werden häufig von einzelnen Berater*innen angeboten und durchgeführt. Schon da ist es herausfordernd, beispielsweise bei Teamsupervisionen und -Coachings, den verschiedenen Perspektiven und ggf. Hierarchieebenen gerecht zu werden. Aufgrund der zusätzlichen Komplexität der Bearbeitung der formalen und informellen Struktur ganzer Organisationen, ist es oft sinnvoll, Organisationsberatungsprojekte als Berater*innenteam oder Beratungsunternehmen durchzuführen. Die erhöhte Dynamik und Komplexität kann so durch eine erhöhte Dynamik und Komplexität des Berater*innensystems gespiegelt und verarbeitet werden.
Berater*innen handeln in der Organisationsberatung – anders als in Coaching oder Supervision – häufig in mehreren Rollen z.B. in der Einzelberatung der Geschäftsführung, der Beratung des Leitungsteams , einer Steuerungsgruppe, einer Resonanzgruppe, einzelner Projektgruppen sowie in der Beratung von Abteilungen und Teams. Die Herausforderung ist, angemessen Transparenz herzustellen und für einen Gesamtprozess Führung zu übernehmen.
Dr. Annette Mulkau/Robert Erlinghagen 3. Juli 2025
Dieser Text ist das Ergebnis eines intensiven verbandsinternen Diskussionsprozesses und er enthält zahlreiche Anleihen aus der Fachliteratur. Wir danken allen Beteiligten für ihre Expertise.